Deutscher Orden
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Der Deutsche Orden, auch Deutschherren- oder Deutschritterorden genannt, ist eine geistliche Ordensgemeinschaft. Gemeinsam mit dem Johanniter- bzw. Malteserorden und den Grabesrittern steht er in der (Rechts-)Nachfolge der Ritterorden aus der Zeit der Kreuzzüge. Die Mitglieder des Ordens sind regulierte Chorherren. Der Orden hat gegenwärtig 1100 Mitglieder, darunter 100 Priester und 200 Ordensschwestern, die sich vorwiegend karitativen Aufgaben widmen. Der Hauptsitz befindet sich heute in Wien.
Der vollständige Name lautet Orden der Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem, lateinisch Ordo fratrum domus Sanctae Mariae Teutonicorum Ierosolimitanorum. Aus der lateinischen Kurzbezeichnung Ordo Teutonicus leitet sich das Ordenskürzel OT ab.
Die Ursprünge des Ordens liegen in einem Feldhospital bremischer und lübischer Kaufleute während des III. Kreuzzuges um 1190 im Heiligen Land bei der Belagerung der Stadt Akkon. Nach der Erhebung der Spitalgemeinschaft zum geistlichen Ritterorden um 1198 beteiligten sich die Mitglieder der ursprünglich karitativen Gemeinschaft im Verlauf des 13. Jahrhunderts an der deutschen Ostkolonisation. Im Baltikum begründete der Orden einen eigenen Staat, den Deutschordensstaat. Er umfasste am Ende des 14. Jahrhunderts ein Gebiet von rund 200.000 Quadratkilometern.
Durch die schwere militärische Niederlage bei Tannenberg im Sommer 1410 gegen die Polnisch-Litauische Union sowie einen langwierigen Konflikt mit den preußischen Ständen in der Mitte des 15. Jahrhunderts beschleunigte sich der um 1400 einsetzende Niedergang. Infolge der Säkularisierung des verbliebenen Ordensstaates im Zuge der Reformation im Jahre 1525 und seiner Umwandlung in ein weltliches Herzogtum übte der Orden in Preußen und nach 1561 in Livland keinen nennenswerten Einfluss mehr aus. Er bestand jedoch im Heiligen Römischen Reich mit erheblichem Grundbesitz, vor allem in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz fort.
Nach linksrheinischen Gebietsverlusten im späten 18. Jahrhundert infolge der Koalitionskriege und nach der Säkularisation in den Rheinbundstaaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts blieben nur noch die Besitzungen im Kaiserreich Österreich. Mit dem Zerfall der Habsburger Donaumonarchie nach dem Ersten Weltkrieg ging neben dem Verlust erheblicher Besitztümer auch die ritterliche Komponente in der Ordensstruktur verloren. Seit 1929 wird der Orden von Ordenspriestern geleitet und somit nach kanonischem Recht in der Form eines klerikalen Ordens geführt.
Geschichte
- Gründung und Anfänge im Heiligen Land und Europa -
Vorgeschichte
Nachdem der Erste Kreuzzug zur Eroberung Jerusalems geführt hatte, etablierten sich in den vier Kreuzfahrerstaaten (in ihrer Gesamtheit Outremer genannt) erste ritterliche Ordensgemeinschaften. Ursprünglich dienten sie der medizinischen und logistischen Unterstützung von christlichen Pilgern, welche die biblischen Stätten besuchten. Zu diesen Aufgaben kamen bald Schutz und Geleit der Gläubigen im militärisch immer wieder umkämpften Land hinzu. 1099 bildete sich der französisch dominierte Johanniterorden, nach 1119 der stärker nach militärischen Gesichtspunkten ausgerichtete Templerorden. Infolge der vernichtenden Niederlage der Kreuzfahrer 1187 in der Schlacht bei Hattin ging die Hauptstadt des Königreichs Jerusalem an Saladin, den Begründer der Ayyubiden-Dynastie, verloren. Daraufhin begann 1189 der Dritte Kreuzzug. Von verbliebenen Stützpunkten an der Küste aus versuchten die Kreuzfahrer, Jerusalem zurückzuerobern. Das erste Ziel war die Hafenstadt Akkon.
Gründung vor Akkon
Während der Belagerung von Akkon (1189–1191) herrschten im durch muslimische Truppen weitgehend blockierten Lager der Kreuzfahrer auf der Hochfläche Toron (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen späteren Ordensburg) katastrophale hygienische Zustände. Über See angereiste Kreuzfahrer aus Bremen und Lübeck gründeten daher dort ein Feldspital. Einer Legende nach soll das über die Kranken gespannte Segel einer Kogge das erste Spital der Deutschen gewesen sein.
Das bewährte Hospital blieb auch nach der Eroberung Akkons bestehen. Die dort dienenden Brüder nahmen die karitativen Regeln der Johanniter an und nannten die Einrichtung „St. Marien-Hospital der Deutschen zu Jerusalem“ – in Erinnerung an ein Spital, das bis 1187 in Jerusalem bestanden hatte. In der Heiligen Stadt sollte nach dem erwarteten Sieg über die Muslime auch das Haupthaus des Ordens errichtet werden.
Das Spital gewann durch Schenkungen, vor allem von Heinrich von Champagne, an wirtschaftlicher Bedeutung. Zudem erhielt der Orden neue militärische Aufgaben. Kaiser Heinrich VI. erwirkte schließlich am 6. Februar 1191 die offizielle Anerkennung des Hospitals durch Papst Clemens III.
Während des Deutschen Kreuzzugs wurde im März 1198 die Gemeinschaft der einstigen Krankenpfleger auf Betreiben Wolfgers von Erla und Konrads von Querfurt nach dem Vorbild der Templer und Johanniter in den Stand eines Ritterordens erhoben. Erster Hochmeister war Heinrich Walpot von Bassenheim. Nach dem Tod Heinrichs VI. (1197) und dem erfolglosen Ende des in erster Linie vom deutschen Feudaladel getragenen Kreuzzuges sollte ein vom deutschen Adel geprägter Ritterorden über familiäre Beziehungen und Lehensabhängigkeiten als politischer Verbündeter des künftigen Herrschers im Reich dienen. Bis dahin verfügten die um den vakanten Kaiserthron streitenden Machtgruppen der Staufer und Welfen in Outremer über keine ihre Interessen vertretende klerikale Institution. Deutsche Interessen im nationalen Sinn waren allerdings im Heiligen Römischen Reich unbekannt.
Mitgliedsstrukturen und Verbreitung des Ritterordens im Hochmittelalter

Die Mitglieder des Ordens waren auf die Gelübde der Armut, der ehelosen Keuschheit und des Gehorsams verpflichtet. Stimmrecht im Generalkapitel wurde hingegen nur Ritter- sowie Priesterbrüdern zugebilligt. Wie alle Ritterorden des Mittelalters bestand der Deutsche Orden zunächst aus:
Ritterbrüdern: Die militärische Kraft des Ordens; jeder zum Ritter geschlagene Mann konnte in der Anfangszeit mit der Profess unter dem Beistand eines glaubwürdigen Bürgen zum Ordensritter avancieren. Ab dem späten 15. Jahrhundert war die Würde eines Ritters gebürtigen Adligen vorbehalten. Vorher waren Adlige, Stadtbürger, sowie überwiegend Ministeriale anzutreffen. Obwohl die Ritterbrüder oft mit ritterlichen Mönchen assoziiert wurden, galten sie doch faktisch als Laien. Das Institut der Professritter existierte bis 1929.
Priesterbrüdern: Den Ordenspriestern oblag die Einhaltung der Liturgie und die Durchführung sakraler Handlungen. Des Weiteren fanden im Verlauf des Mittelalters die Priesterbrüder aufgrund ihrer schriftkundlichen Bildung Verwendung als Chronisten oder Kanzleibeamte der Ordensgebieter. Ihr Wirkungsspektrum blieb auf diese Tätigkeitsfelder beschränkt, aus ihren Reihen stammten jedoch auch die Bischöfe des Ordens.
Sariantbrüdern: Es handelte sich um bewährte nichtadelige Laien, die als leichtbewaffnete Kämpfer, Kuriere oder untergeordnete Verwaltungsbeamte dienten. Sariantbrüder gab es nur bis zum Ende des Mittelalters.
Dienenden Halbbrüdern (sogenannte Halbkreuzler): Diese Gruppe erledigte untergeordnete Arbeiten in Hof- und Haushaltung, versah aber auch Wachdienste. Der Zweig der dienenden Halbbrüder existierte bis zum Ende des Mittelalters.
Neben militärischen Aufgaben blieben zunächst Krankenpflege und Armenfürsorge wichtige Schwerpunkte der Ordenstätigkeit. Durch Schenkungen und Erbschaften fielen den Ordensrittern beträchtlicher Landbesitz und zahlreiche Hospitäler zu. Letztere wurden von Ordenspriestern und Halbbrüdern weiter betrieben. Die umfassende Spendenbereitschaft des Feudaladels erklärt sich aus dem Weltbild des frühen 13. Jahrhunderts, das „Furcht ums Seelenheil“ sowie eine spirituelle „Endzeitstimmung“ mitprägten. Durch die Stiftungen zugunsten des Ordens versuchte man sich des eigenen Seelenheils zu versichern.
1221 gelang es dem Orden durch ein päpstliches Generalprivileg, seine volle Exemtion von der Diözesangewalt der Bischöfe zu erlangen. Die Einkünfte erhöhten sich durch die Gewährung des Rechts zur umfassenden Kollekte auch in nicht dem Orden zugeordneten Pfarreien. Gegen entsprechende Vergütung (Legat) durften zudem mit Bann oder Interdikt belegte Personen in „geweihter Erde“ auf den Friedhöfen der Ordenskirchen beigesetzt werden, was ihnen sonst verwehrt geblieben wäre. Der Orden war kirchlich papstunmittelbar und somit Johannitern und Templern gleichgestellt. Seitens dieser Gemeinschaften wurde der Deutsche Orden mit zunehmender Skepsis betrachtet, nicht zuletzt wegen seiner Erwerbungen. Die Templer beanspruchten den Weißen Mantel für sich und legten 1210 sogar offiziellen Protest bei Papst Innozenz III. ein. Erst 1220 wurde den Deutschordensrittern das Tragen des strittigen Mantels durch Papst Honorius III. endgültig bestätigt. Die Templer blieben indes erbitterte Rivalen des Deutschen Ordens. In Palästina kam es zu einem förmlichen Krieg. 1241 verjagten die Templer die Deutschen Herren aus fast allen Besitzungen und duldeten selbst ihre Geistlichen nicht mehr in den Kirchen.
Bereits am Ende des 12. Jahrhunderts erhielt der Orden erste Besitzungen in Europa. 1197 wurde erstmals ein Hospital des Ordens in Barletta in Süditalien erwähnt. Die erste Niederlassung auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches nördlich der Alpen bildete um 1200 ein Spital in Halle. Auf einem durch Schenkung übereigneten Gelände westlich der Stadt gründeten Ordensbrüder St. Kunigunden. Das Spital benannte sich nach der heilig gesprochenen Kaiserin Kunigunde, der Gemahlin Heinrichs II.. Der verstreute territoriale Besitz wurde bald so umfangreich, dass schon 1218 ein Landkomtur für Deutschland eingesetzt werden musste. In den kommenden Jahrzehnten breitete sich der Orden im gesamten Reichsgebiet aus, begünstigt durch zahlreiche Stiftungen und den Beitritt prominenter und wohlhabender Adliger.
Der Deutsche Orden unterstützte 1228/1229 vorbehaltlos die Kreuzfahrt von Kaiser Friedrich II., an der Hochmeister Hermann von Salza maßgeblich beteiligt war. Dies brachte dem Orden die Lehnsexemtion ein. Dieses wichtige Privileg löste ihn zwar nicht aus dem Lehnsverband des Königreiches Jerusalem, befreite ihn aber von allen Verpflichtungen diesem gegenüber. Dieser Verzicht des Königreichs Jerusalem auf alle königlichen Rechte ist ohne Beispiel. Kaiser Friedrich II., zugleich infolge seiner Hochzeit mit Isabella von Brienne König von Jerusalem, wünschte den Orden an herausragender Stelle in seine imperiale Politik zu integrieren. Die umfassende Privilegierung ist auf das Wirken Hermanns von Salza zurückzuführen, einen der bedeutendsten Berater und Diplomaten des Kaisers. Friedrich gewährte dem Orden noch eine Reihe weiterer Privilegien, so bereits 1226 die Goldene Bulle von Rimini.
Kontingente der Ordensritter unterstützten 1241 die vom Angriff der mongolischen Heere unter Batu Khan betroffenen mitteleuropäischen Herrschaftsgebiete. In der verlorenen Schlacht bei Liegnitz wurde beispielsweise das gesamte zur Verteidigung Schlesiens eingesetzte Aufgebot des Ordens aufgerieben.
Entwicklung in Europa und Palästina bis zum Ende des 13. Jahrhunderts
Im Heiligen Land gelang dem Orden nicht nur der Erwerb eines Anteils am Hafenzoll in Akkon, sondern durch Schenkung Ottos von Botenlauben auch der vormaligen Herrschaft Joscelins III. von Edessa im Umland der Stadt (1220). Zudem erwarb man die Burg Montfort (1220), die Herrschaften Toron (1229) und Schuf (1257) und die Burg Toron in der Herrschaft Banyas (1261).
Dennoch zeichnete sich ein Ende der Kreuzfahrerherrschaft im Heiligen Lande ab. Das von Kaiser Friedrich II. 1229 auf friedlichem Wege erworbene Jerusalem fiel 1244 endgültig. Nach dem Sieg der ägyptischen Mamelucken über die bis dahin als unbesiegbar geltenden Mongolenheere des Ilchanats in der Schlacht von Ain Djalut im Jahre 1260 brachten Mamelukenstreitkräfte die Bastionen der Kreuzfahrer immer mehr in Bedrängnis. Die verbliebenen Festungen der Ritterorden wurden in den folgenden Jahrzehnten systematisch erobert. Mit dem Fall von Akkon 1291 zeichnete sich schließlich ein Ende der „Gewappneten Züge zum Grabe (Christi)“ ab. Beim Endkampf zu Akkon nahm ein bedeutendes Kontingent von Deutschordensrittern teil. Geführt wurde es bis zu dessen abruptem Rücktritt vom Hochmeister Burchard von Schwanden, anschließend vom Kriegskomtur Heinrich von Bouland.
Mit dem endgültigen Verlust Akkons endete im Jahr 1291 das militärische Engagement des Deutschen Ordens im Heiligen Land. Anders als bei den multinational ausgerichteten Johannitern und Templern konzentrierte sich die Präsenz des Deutschen Ordens anschließend innerhalb der Grenzen des Reiches sowie in den neuerworbenen Stützpunkten in Preußen. Der Hauptsitz des Hochmeisters befand sich aufgrund der vorübergehend fortbestehenden Hoffnung auf eine Wiedereroberung des Heiligen Landes aber noch bis 1309 in Venedig, einem wichtigen Hafen für die Überfahrt ins Heilige Land.
Die Niederlassungen des Deutschen Ordens in Europa um 1300
Im Königreich Sizilien und in der Levante entstanden im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts einige Ordensniederlassungen. Besonders im Königreich Sizilien wurde nach 1222 im Rahmen der Vorbereitungen des Kreuzzuges Friedrichs II. eine Vielzahl kleinerer Ordenshäuser gegründet, deren wichtigste die schon ältere Kommende in Barletta sowie die Häuser zu Palermo und Brindisi waren. Auch in Griechenland, an der Westküste der Peloponnes, bestanden vereinzelte Niederlassungen, die in erster Linie der Versorgung der Pilger auf dem Weg ins Heilige Land und auf dem Rückweg dienten.
Gescheiterte Staatsbildung in Siebenbürgen
Hochmeister Hermann von Salza scheint angesichts der zersplitterten Besitzungen schon frühzeitig die Errichtung eines zusammenhängenden, vom Deutschen Orden dominierten Territoriums angestrebt zu haben. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass er 1211 bereitwillig ein Hilfeersuchen des Königreichs Ungarn annahm, zu einem Zeitpunkt also, da die verfügbaren Ordenskräfte eigentlich zum Zwecke der Befreiung des Grabes in Outremer gebunden waren. Andreas II. von Ungarn bot dem Orden an, durch Kriegsdienstegegen die Kumanen ein Heimatrecht im Burzenland in Siebenbürgen zu erwerben. Wichtige kirchliche Abgaben, darunter das Zehntrecht, gestand der König dem Orden ebenfalls zu. Überdies war ihm gestattet, Münzen zu prägen sowie seine Burgen mit Steinen zu befestigen. Letzteres galt in Ungarn als besonderes Privileg.
Die Beziehungen Ungarns zum Deutschen Orden trübten sich jedoch alsbald nachhaltig ein. Im Land wuchsen antideutsche Ressentiments, was 1213 auch zum Tod von Gertrud von Andechs führte. Die Königin war deutschstämmige Gattin von Andreas II. 1223 erteilte Papst Honorius III. dem Orden in Form einer Bulle ein Exemtionsprivileg, das sich ausdrücklich auf das Burzenland bezog. Seine Umsetzung hätte die letzten legislativen Bindungen Ungarns an das von ihm beanspruchte Territorium de facto aufgehoben. Der ungarische Adel drängte den König daher massiv zum Widerstand gegen den Orden.
Auf Anraten Hermanns von Salza versuchte der Papst 1224, das im Vorjahr verbriefte Privileg administrativ durchzusetzen. Zu diesem Zwecke unterstellte er das Burzenland kurzerhand dem Schutz des Apostolischen Stuhles. Damit sollte der unmittelbar papstunterstellte Deutsche Orden bei der Landnahme und den aufflammenden Feindseligkeiten mit den Ungarn juristisch unterstützt werden. Andreas II. schritt nun militärisch ein. Die zahlenmäßig hoch überlegene ungarische Heeresmacht belagerte und eroberte die wenigen Burgen des Ordens.
Der Versuch des Deutschen Ordens, mit Berufung auf das zugebilligte Heimatrecht und mit aktiver Unterstützung des Papstes ein autonomes Herrschaftsgebiet außerhalb des ungarischen Königreiches aufzubauen, endete 1225 mit der Vertreibung des Ordens und der Vernichtung seiner Burgen.
Die Besitzungen nördlich der Alpen
Eine der bedeutendsten vom Orden übernommenen karitativen Einrichtungen war das von der Landgräfin Elisabeth von Thüringen in Marburg gegründete Hospital. Es wurde nach ihrem Tod im Jahre 1231 durch den Orden weitergeführt und ausgebaut. Mit der Heiligsprechung Elisabeths 1235 erlangten dieses Spital sowie seine Betreiber eine besondere spirituelle Bedeutung. Die sich für den Orden ergebende Reputation stieg noch, als die Heilige im Frühjahr 1236 unter persönlicher Beteiligung des Kaisers Friedrich II. umgebettet wurde.
Ab den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts wurden die einzelnen Kommenden zu regional gegliederten Balleien zusammengefasst. So entstanden 1222 die Kammerballei Böhmen und Mähren, 1236 die Ballei Thüringen sowie 1237 die Ballei Marburg. Später folgten Lothringen (1246), Koblenz (1256), Franken (1268) und Westfalen (1287). Diese Besitzungen unterstanden wie die Balleien Österreich und Schwaben-Elsass-Burgund dem Deutschmeister. Des Weiteren entwickelte der Orden im Baltikum ein eigenes Staatswesen.
Der Staat des Deutschen Ordens
Erwerbungen des Deutschen Ordens in Preußen und des 1237 mit ihm vereinigten Schwertbrüderordens in Kurland und Livland bis 1260; bei den schraffierten Gebieten handelt es sich um die umkämpften Territorien in Preußen und Schamaiten
Die Geschichte des Ordens zwischen 1230 und 1525 ist eng mit dem Schicksal des Ordensstaates verknüpft, aus dem später Ostpreußen, Lettland und Estland hervorgingen.
Ein zweiter Versuch des Landerwerbs war erfolgreich in einer Region, die dem statuierten Missionierungsgebot des Ritterordens eine weitreichende Perspektive bot, dem Baltikum. Schon 1224 hatte Kaiser Friedrich II. in Catania die heidnischen Einwohner des Prußenlandes östlich der Weichsel und der Nachbargebiete als Reichsfreie der Kirche und dem Kaiserreich direkt unterstellt. Als päpstlicher Legat für Livland und Preußen bestätigte Wilhelm von Modena diesen Schritt noch im selben Jahr.
1226 rief der polnische Herzog aus dem Geschlecht der Piasten, Konrad I. von Masowien, den Deutschen Orden zu Hilfe in seinem Kampf gegen die Prußen um das Kulmerland. Nach den misslichen Erfahrungen mit Ungarn sicherte sich der Deutsche Orden diesmal juristisch ab. Er ließ sich von Kaiser Friedrich II. mit der Goldenen Bulle von Rimini und von Papst Gregor IX. mit der Bulle von Rieti garantieren, dass nach der Unterwerfung und Missionierung des Baltikums, also der Prußen, das eroberte Land an den Orden fallen sollte. Auf sein Drängen erhielt der Orden zudem die Zusicherung, man werde als Souverän dieses Gebietes nur dem Papst, aber keinem weltlichen Lehnsherrn unterstehen. Konrad I. von Masowien überließ dem Orden nach längerem Zögern 1230 im Vertrag von Kruschwitz „auf ewige Zeit“ das Kulmerland. Der Deutsche Orden betrachtete diesen Vertrag als Instrument zur Schaffung eines selbstständigen Herrschaftsgebietes in Preußen. Sein Wortlaut und seine Echtheit wurden von einigen Historikern in Zweifel gezogen.
1231 überschritt LandmeisterHermann von Balk mit sieben Ordensrittern und ungefähr 700 Mann die Weichsel. Er errichtete noch im selben Jahr im Kulmerland eine erste Burg, Thorn. Von hier aus begann der Deutsche Orden die schrittweise Eroberung des Territoriums nördlich der Weichsel. Die Eroberung ging einher mit zielgerichteter Besiedlung, wobei den vom Orden begründeten Ansiedlungen zumeist das in der Kulmer Handfeste verbriefte Recht verliehen wurde. Unterstützt wurde der Orden in den ersten Jahren von Truppen Konrads von Masowien sowie der anderen polnischen Teilfürsten und von Kreuzfahrerheeren aus dem Reich und vielen Ländern Westeuropas. Papst Gregor IX. gewährte den Teilnehmern am Kriegszug gegen die Prußen die für einen Kreuzzug ins Heilige Land üblichen Satisfaktionen, so eine umfassende Sündenvergebung und weitere Heilsversprechungen.
1234 wurden die verbliebenen Ritter des Ordens der „Brüder von Dobrin“ (fratribus militiae Christi in Prussia) in den Deutschen Orden eingegliedert. Der Orden war 1228 auf Initiative Konrads zum Schutz des masowischen Kernlands gegründet worden, konnte sich aber militärisch nicht gegen die Prußen durchsetzen.
Der 1202 in Riga gegründete Schwertbrüderorden (Ornat: weißer Mantel mit rotem Kreuz) erlitt 1236 in der Schlacht von Schaulen eine vernichtende Niederlage gegen schamaitische Litauer sowie Semgaller. Daraufhin handelte Hermann von Salza persönlich mit der Kurie die Union von Viterbo aus, als deren Ergebnis Deutscher Orden und Schwertbrüderorden vereinigt wurden. So erwarb man mit den livländischen Kommenden ein zweites Kernland, das sogenannte Meistertum Livland, wo nach dem Muster Preußens das bereits bestehende System von Burgen (sogenannte feste Häuser) ausgebaut wurde.
Die nachhaltige Expansion der Livländischen Union nach Osten endete am Fluss Narva. Nachdem 1240 Pskow vorübergehend besetzt werden konnte, kam es zu ständigen Gefechten zwischen Rittern des Livländischen Ordenszweiges sowie Gefolgsleuten der livländischen Bischöfe und russischen Abteilungen. Diese gipfelten im April 1242 in der Schlacht auf dem zugefrorenen Peipussee, deren genauer Verlauf und Umfang unter Historikern umstritten ist. Ein russisches Aufgebot unter Alexander Newski, dem Fürsten von Nowgorod, schlug hier eine größere Heeresabteilung unter Hermann von Buxthoeven, dem Bischof von Dorpat. Im Sommer 1242 wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Er fixierte faktisch für mehr als 150 Jahre die jeweiligen Einflusssphären.
Die Unterwerfung des Siedlungsgebietes der Prußen ging einher mit Christianisierung und deutscher Besiedlung des Landes. Dieses Unterfangen beschäftigte den Orden mehr als 50 Jahre lang und wurde nach schweren Rückschlägen, wie verschiedenen Aufständen der Prußen, erst 1285 abgeschlossen. Die ursprünglich legitimierende Zielsetzung der sogenannten Heidenmission behielt man auch nach der Missionierung Preußens bei.
Litauerkriege und Blütezeit (1303 bis 1410)
Die Besitzungen, Hauptsitze und Erwerbungen des Deutschen Ordens in Preußen und der Livländischen Union bis zum Jahre 1410
Der Hochmeister hatte seinen Hauptsitz in Akkon, bis 1291 dieser letzte Kreuzfahrerstützpunkt verloren ging. Konrad von Feuchtwangen residierte daher in Venedig, traditionell ein wichtiger Hafen für die Einschiffung nach Outremer. 1309 verlegte Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen seinen Sitz in die Marienburg an der Nogat. Preußen war damit zum Zentrum des Ordens geworden. In dieser Zeit wurde der Templerorden durch König Philipp IV. von Frankreich verfolgt, den der willfährige Papst Clemens V. unterstützte. Die Ritterorden standen in der ersten Dekade des 14. Jahrhunderts aufgrund des Verlustes des Heiligen Landes im Mittelpunkt der allgemeinen Kritik. So erschien es ratsam, den Sitz des Hochmeisters in das Zentrum der eigenen territorialen Machtbasis zu verlegen.
Die Inbesitznahme Danzigs und Pommerellens im Jahr 1308 erfolgte durch militärisches Vorgehen gegen polnische Herzogtümer und auf Grundlage des Vertrages von Soldin mit der Markgrafschaft Brandenburg. In Polen wuchsen nicht zuletzt aufgrund dieser Ereignisse Ressentiments gegen den Orden und auch gegen in Polen ansässige Deutsche. 1312 wurde in Krakau der Aufstand des Vogtes Albert niedergeschlagen und die Deutschen vertrieben. Das durch Territorialherrschaften zersplitterte Polen der Piastenzeit konnte in den folgenden Jahren von Władysław I. Ellenlang wieder als Königreich Polen konsolidiert werden. Dabei vertrat besonders Erzbischof Jakub Świnka von Gnesen eine Politik der Abgrenzung gegenüber den Deutschen. Die infolge des Verlustes Pommerellens und Danzigs erwachsenen Konflikte zwischen dem Orden und lokalen polnischen Machthabern sowie einem vorerst politisch schwachen Königtum weiteten sich in der Folge zu einer Dauerfehde aus. Auch der Friedensvertrag von Kalisz, in dem Polen 1343 offiziell auf Pommerellen und Danzig verzichtete, erbrachte langfristig gesehen keine Entspannung zwischen dem Orden und Polen.